Computerprogramme
Computerprogramme sind gemäß Art. 52 (2) c) und (3) von der Patentfähigkeit ausgeschlossen. Allerdings ist hier zu unterscheiden. Handelt es sich um ein Computerprogramm mit einem technischen Charakter, so ist das Computerprogramm dem Patentrecht zugänglich.
Artikel 52 EPÜ
Um einen technischen Charakter aufzuweisen, muss das Computerprogramm eine technische Wirkung erzeugen. Natürlich ergibt sich eine physikalische Wirkung des Computerprogramms auf die Hardware des betreffenden Computers. Ist dies die gesamte technische Wirkung des Computerprogramms, so liegt keine technische Wirkung im Sinne des Patentrechts vor.
T 1173/97
G 3/08
Eine technische Wirkung, die über die Wechselwirkung zwischen Software und Hardware hinausgeht, ist die Steuerung eines technischen Verfahrens oder der internen Funktionsweise des Computers.
G II, 3.6.1
Bei der Bewertung, ob ein technischer Charakter der betreffenden Software vorliegt, wird zunächst der Stand der Technik außer Acht gelassen. Das bedeutet, dass ein Vergleich der Software mit einer Software des Stands der Technik zu keiner technischen Wirkung führen kann. Ist beispielsweise die zu bewertende Software schneller als eine Software des Stands der Technik, kann daraus nicht auf eine relevante technische Wirkung geschlossen werden.
T 1227/05
T 1784/06
T 1370/11
Die Prüfung auf technischen Charakter ist daher der erste Schritt bei Vorliegen einer computerimplementierten Erfindung. Erst wenn dieser Test positiv abgeschlossen werden kann, wird die Erfindung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit geprüft.
G-VI
G-VII
G VII, 5.4
Computerimplementierte Erfindung
Eine computerimplementierte Erfindung weist ein Computerprogramm auf, das auf einem Computer, einem Computernetz oder einer anderen programmierbaren Vorrichtung abgearbeitet wird.
F IV, 3.9
Ein Computerprogramm und ein computerimplementiertes Verfahren werden patentrechtlich vollständig unterschiedlich behandelt. Ein Computerprogramm stellt den Code dar. Bei einem Computerprogramm kann es sich daher um Software als solche handeln. Bei einem Computerprogramm muss daher zunächst geprüft werden, ob ein technischer Charakter vorliegt. Es verhält sich anders bei einem computerimplementierten Verfahren, denn das Verfahren wird auf einem Computer abgearbeitet und ein Computer ist per se technisch. Bei einem computerimplementierten Verfahren kann daher in jedem Fall von einem technischen Charakter ausgegangen werden. Eine Prüfung durch das Patentamt ist nicht erforderlich.
Ansprüche, die sich auf ein computerimplementiertes Verfahren, ein computerlesbares Speichermedium oder Vorrichtung beziehen, setzen sich nicht dem Einwand mangelnden technischen Charakters aus.
T 258/03
T 424/03
G 3/08
Ein technischer Charakter einer Software liegt, falls die Software beispielsweise die Steuerung eines Antiblockiersystems in einem Auto, die Bestimmung der Emissionen eines Röntgengeräts, die Komprimierung von Videos, die Wiederherstellung verzerrter digitaler Bilder oder die Verschlüsselung elektronischer Nachrichten bewirkt.
G II, 3.3
Es kann außerdem von einem technischen Charakter ausgegangen werden, wenn die Software die technischen Gegebenheiten eines Computers berücksichtigt. Dies kann beispielsweise dazu führen, dass die interne Funktionsweise in der Software ihren Niederschlag gefunden hat. Computerprogramme, die beispielsweise Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz der Startintegrität oder Gegenmaßnahmen gegen Angriffe durch Stromverbrauchsanalysen aufweisen, technischen Charakter. Hierbei ist relevant, dass die Software auf technischen Überlegungen beruht, in diesem Fall dem technischen Verständnis der internen Funktionsweise des Computers.
Computerprogramme, die die Prozessor-Lastverteilung oder die Speicherzuweisung ansteuern, weisen ebenfalls eine technische Wirkung und sind daher dem Patentrecht zugänglich.
G VII, 5.4.2.3
Auch Computerprogramme, die Builder oder Compiler betreffen, können technischen Charakter aufweisen. Wird beispielsweise durch die Software das Management von Builder und Compiler derart durchgeführt, dass sich eine Zeitersparnis bei einer durch die Builder und Compiler zu erstellenden Software ergibt, ist von einem technischen Charakter auszugehen.
Abläufe der Erstellung eines Computerprogramms
Eine Informationsmodellierung ist das Erstellen eines Konzepts für die Erstellung einer Software. Hierbei handelt es sich um reine gedankliche Tätigkeiten, die keinen technischen Charakter aufweisen.
T 354/07
T 1171/06
G-II, 3.3.2
G-II, 3.5.1
Das Programmieren stellt ebenfalls eine rein gedankliche Tätigkeit dar. Ein technischer Charakter liegt nicht vor. Eine Ausnahme kann vorliegen, falls die Programmiertätigkeit einen kausalen Beitrag zur Erzeugung einer technischen Wirkung leistet.
G 3/08
T 1539/09
Liegt beispielsweise eine Software vor, die die Programmiertätigkeit erleichtert, indem eine bessere Visualisierung erfolgt durch das Darstellen von Modulen als bunte Quadrate, liegt kein technischer Charakter vor, da hierdurch ausschließlich die gedankliche Tätigkeit des Programmierers erleichtert wird. Das zur Verfügung stellen von Modulen, die Programmcode zusammenfassen, erleichtert das Programmieren für den Programmierer. Allerdings ergibt sich daraus kein technischer Charakter, denn es wird ausschließlich die gedankliche Tätigkeit des Programmierers befördert.
Ein technischer Charakter ist allerdings gegeben, wenn die Software eine Überarbeitung des Codes in der Weise vornimmt, dass eine Optimierung des Codes sich einstellt, beispielsweise durch Aufteilung des Codes in eine Befehlskette und eine Operandenanordnungskette oder durch den Ersatz von repetitiven Befehlen durch Makrobefehle. Der technische Effekt kann beispielsweise darin gesehen werden, dass für den Code weniger Speicherplatz erforderlich ist.
G II, 3.7
G II, 3.7.1
Datenstrukturen
Ist in einem Speichermedium eine computerimplementierte Datenstruktur oder ein Datenformat enthalten, liegt eine Erfindung mit einem technischen Charakter vor. Bezüglich Datenstrukturen ist zwischen funktionellen und kognitiven Daten zu unterscheiden, wobei funktionelle Daten der Steuerung einer Vorrichtung, die Daten verarbeitet, dient. Kognitive Daten hingegen dienen ausschließlich dem menschlichen Nutzer. Funktionelle Daten stellen Merkmale mit technischer Wirkung dar, das gilt nicht für kognitive Daten.
T 1194/97
Ein Beispiel für funktionelle Daten ergibt sich durch einen Aufzeichnungsträger zur Anwendung in einem Bildwiederauffindungssystem, der codierte Bilder als eine Datenstruktur speichert. Die Datenstruktur enthält dabei Informationen, wie das Bild aus dem Aufzeichnungsträger zu decodieren ist. Durch die Datenstruktur wird daher inhärent die technischen Merkmale des Bildwiederauffindungssystems widergespiegelt, also den Aufzeichnungsträger. Ein weiteres Beispiel für funktionelle Daten stellt eine Indexstruktur zur Suche eines Eintrags in einer Datenbank funktionelle Daten dar. Hierbei resultiert als technischer Effekt, wie der Computer den Suchvorgang durchführt.
T 1351/04
Eine elektronische Nachricht kann einen Header und einen Body aufweisen. Der Header umfasst Anweisungen, die vom Empfängersystem erkannt und verarbeitet werden. Aufgrund des Headers wird daher die Verarbeitung bestimmt, insbesondere wie die Daten des Bodys zu verwerten sind. Eine derartige Datenstruktur mit funktionellen Daten, der Header, der bestimmt wie kognitive Daten, der Body, verarbeitet werden, weist einen technischen Charakter auf.
T 858/02